Theodor Fontane Gesellschaft – Fontane-Kreis Leipzig
von Matthias Grüne, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bergischen Universität Wuppertal
Jeder Rückblick braucht seine eigene Form. Eine klassische Erzählstruktur böte sich an, bestehend aus Anfang, Mitte und Ende. Doch um so erzählen zu können, bedarf es eines zumindest vorläufigen Endpunktes, von dem sich zurückblicken lässt. Die Geschichte, die heute erzählt werden soll, ist aber noch nicht zu Ende. Vielleicht ist sie noch nicht einmal an ihrem Höhepunkt angelangt – wobei sie an Höhepunkten freilich nicht arm ist. Geboten wurde und wird einiges: Männer mit Pistolen, üppige Torten, Gesangs- und Schauspielkunst. Wer könnte da schon einen einzigen Höhepunkt ausmachen. Statt einer klassischen Erzählung mit Peripetie, fallender Handlung und Schlusspunkt dann also doch lieber eine offene Liste mit Zahlen.
20
wie 20 Jahre. Man muss es sich vergegenwärtigen: Am 04. Februar 2004 findet im Café Concerto das Gründungstreffen des Leipziger Fontane-Kreises statt. Am selben Tag geht in den USA eine Internet-Seite mit dem Namen „Facebook“ erstmals online. In Deutschland regiert zu dieser Zeit eine SPD-geführte Regierung unter dem Bundeskanzler Gerhard Schröder. […] In Portugal findet im Sommer eine Fußball-Europameisterschaft statt, die völlig überraschend Griechenland mit seinem Trainer Otto Rehagel gewinnt […]. So weit ist das weg.
100
wie die 100 Veranstaltungen, die der Fontane-Kreis seitdem in Räumlichkeiten der Stadtbibliothek durchgeführt hat. Eigentlich immer gut besucht, egal an welchen Ort geladen wurde […] Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter [der Stadtbibliothek] waren in all dieser Zeit ein verlässlicher Partner, ohne den die Erfolgsgeschichte des Fontane-Kreises Leipzig so nicht hätte geschrieben werden können. Mit diesem Partner im Rücken, konnten auch andere Veranstaltungsstätten in der Stadt erkundet, ausprobiert und bespielt werden. Ganze
44
Mal fanden die Lesungen und Vorträge des Kreises an anderen Orten, außerhalb der Stadtbibliothek, statt. Zu Gast waren wir unter anderem in der Moritzbastei, in der Kulturapotheke in der Eisenbahnstraße, im oder besser gesagt: vor dem Schillerhäuschen in Gohlis und natürlich auch an der originalen Fontane-Stätte der Stadt, der Adler Apotheke in der Hainstraße […]. Monika Stoyes unermüdlicher Einsatz ist, wie wir wissen, der Motor dieser Erfolgsgeschichte – unterstützt wird sie dabei bis heute von einem kleinen Kreis engagierter Mitglieder der Gesellschaft, der sich zur Vor- und Nachbesprechung des Programms regelmäßig zusammenfindet.
Die historische Adler-Apotheke in Leipzig, 1907
Foto: Hermann Walter (1838-1909) – Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
45
Treffen dieses Kreises verzeichnet die Chronik. Sie dienen, wie man heute sagt, dem Teambuilding und offensichtlich auch dem generationenübergreifenden Austausch. Geschmack und Kreativität stellen die Mitglieder des Kreises dabei regelmäßig zu den Geburtstagsfeiern für Theo am Ende des Jahres unter Beweis. Dazu kommen
18
Exkursionen und Ausflüge – meist auf den Spuren Fontanes: Den realen Spuren, wie bei dem Gang über die ehemaligen Schlachtfelder der Völkerschlacht, die Fontane als Leipziger Apothekergehilfe ebenfalls abgeschritten hatte; oder seinen Rezeptionsspuren, wie etwa beim Besuch der Fontane-Oper Grete Minde in Magdeburg. […]
Gedenktafel an der Hauswand neben der Adler-Apotheke, 2023
Foto: Gabriele Radecke
207
Das ist die nüchterne Summe, hinter der eine beeindruckende Geschichte steht: 207 Veranstaltungen, Aktivitäten und Feste wurden in 20 Jahren organisiert und durchgeführt, möglich gemacht durch das Engagement Monika Stoyes, aber natürlich auch durch das rege Interesse eines Publikums an Fontane, seiner Zeit und seinen Zeitgenossen; möglich gemacht des Weiteren auch durch die Bereitschaft von vielen Beiträgerinnen und Beiträgern, die nach Leipzig gekommen sind, um hier vorzutragen, zu lesen, zu diskutieren. […]
Der Beitrag ist die gekürzte Laudatio, die Matthias Grüne anlässlich des 20. Jahrestags des Fontane-Kreises Leipzig am 7. Februar 2024 gehalten hat.
Kontakt
Literatur
- Mein Leipzig lob’ ich mir; in: Theodor Fontane, Von Zwanzig bis Dreißig, Verlag Friedrich Fontane & Co., Berlin 1894, S. 103ff.
In seiner literarischen Autobiografie „Von Zwanzig bis Dreißig“ schildert Fontane sein Jahr als Gehilfe in der Adler-Apotheke in Leipzig. - Hubertus Fischer, Leipzig und Dresden; in: Fontane Handbuch. Band 1, hrsg. von Rolf Parr, Gabriele Radecke, Peer Trilcke und Julia Bertschik, De Gruyter, Berlin/Boston 2023, [nur erste Seite].
- Michael Masanetz, „… daß er einen politischen Musen-Almanach herauszugeben projektiere“. Der junge Theodor Fontane in Leipzig; in: Leipziger Blätter, Heft 33, Herbst 1998, S. 21-23.
- Bettina Kern, Theodor Fontane in Sachsen, Leipziger Universitätsverlag Leipzig 2023.
Weblinks