Begehrte Birnbaum-Ballade

Die drei überlieferten Manuskriptblätter des Gedichtes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ (2007).
Quelle: picture-alliance/ ZB / Arno Burgi

von Gabriele Radecke und Robert Rauh

Die Handschrift des beliebten Gedichtes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ ist heiß begehrt. Hundert Jahre nach Fontanes Tod betrug schon der Schätzpreis für die drei mit Tinte und Bleistift beschriebenen Manuskriptseiten 30.000 Euro. Letztendlich wurde das Autograf nach Angaben des Aktionshauses J. A. Stargardt bei einem „heftige[n] Bietergefecht“ am 25. Juni 2007 an einen deutschen Bankier für 130.000 Euro verkauft. Die Ballade, die Fontane bereits kurz nach der Fertigstellung in einem Brief als ein „gutes Gedicht“ bezeichnet hatte (Fontane an Julius Rodenberg, 11. Juni 1889), zählt heute zu den bekanntesten und hinsichtlich der Vielzahl literarischer und bildlicher Rezeption auch zu den wirkungsmächtigsten Gedichten Fontanes.

Das Autograf selbst hat aber noch etwas anderes zu bieten: Die Rückseiten der drei Manuskriptblätter hatte Fontanes mit einem Entwurf seines letzten, unvollendet gebliebenen Werkes „Das Ländchen Friesack und die Bredows“ eigenhändig beschriftet. Ob die bisher fehlende letzte Seite des Ribbeck-Gedicht-Entwurfs sich unter den Bredow-Entwürfen befindet, ist noch nicht ermittelt worden.

Das Gedicht geht auf eine Sage über Hans Georg von Ribbeck (1689–1759) zurück, die in der Sammlung „Volkstümliches aus der Grafschaft Ruppin und Umgebung“ von Karl Eduard Haase 1887 aufgenommen wurde. Sie erzählt vom leutseligen Herrn von Ribbeck, der viele vorbeilaufende Kinder mit Birnen aus seinem Garten erfreute. Nach seinem Tode „sproßte aus dem Grabe des Wohltäters der Kleinen ein Birnbaum hervor. Der alte Herr hatte eine Birne mit ins Grab genommen, und aus dieser war der Baum erwachsen.“ Noch heute würde die Dorfjugend von Ribbeck die süßen Früchte genießen (Haase, 1887).

Vermutlich lieferte aber erst der anonyme Beitrag „Groß-Glienicke und die Herren von Ribbeck“ von 1889 in der Zeitschrift „Der Bär“, deren Mitherausgeber Fontane war, seine Idee für die Ballade. Bereits 1875 verfasste Hertha von Witzleben (1851–1927), eine Verwandte der Familie von Ribbeck, anlässlich des 500-jährigen Familienjubiläums ein Gedicht über dieselbe Sage: „Zu Ribbeck an der Kirche ein alter Birnbaum steht, der mit den üpp’gen Zweigen der Kirche Dach umweht …“ (von Witzleben, 1875). Ob Fontane es kannte, ist nicht belegt.

Symbolisch nachgepflanzt: Birnbaum vor der Kirche Ribbeck, 2022
Foto: Robert Rauh

Der historische Birnbaum, der tatsächlich aus der Gruft derer von Ribbeck wuchs, wurde am 20. Februar 1911 von einem Sturm umgeworfen. Der Baumstumpf ist seit 1997 in der Kirche zu Ribbeck ausgestellt. Vor dem Gebäude steht indes ein neuer Birnbaum, der im Jahr 2000 angepflanzt wurde. Die Untersuchung des Stumpfes durch einen Pomologen ermöglichte es, die Sorte als Melanchthon-Birne zu bestimmen. In Ribbeck ist Fontanes Birnbaum-Ballade heute die Grundlage für einen florierenden Tourismus.

Auch die Familie von Ribbeck ist im Ort wieder präsent. Vor der kommunistischen Enteignung 1945 war der letzte Gutsbesitzer Hans von Ribbeck (1880–1945), ein Gegner des NS-Regimes, im Februar 1945 im KZ Sachsenhausen verstorben. Infolge der Wiedervereinigung kaufte 1999 Friedrich-Carl von Ribbeck, der Enkel des letzten von Ribbeck, den verfallenen alten Pferdestall gegenüber vom Schloss und die Alte Brennerei zurück. Das Schloss befindet sich im Besitz des Landkreises Havelland und beherbergt ein Restaurant, eine Tagungsstätte – und seit 2019 ein Fontane-Museum.

Fontane vor und im: Schloss Ribbeck, 2022
Foto: Robert Rauh

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